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Digitale Trends 2013: Traditionell ein typisches Thema für die erste Runde Bullshit-Bingo kurz nach Jahresanfang. Blöd nur, wenn dabei wieder vorschnell Hysterie ausgelöst und Budget verbrannt wird, und dann keine der Vorhersagen eintrifft. Second Life, Google Buzz, iTunes Ping, anyone?

Kein Grund also, hektisch zu werden und jeden kleinen Trend vorschnell zur nächsten Revolution hoch zu jubeln. Es gibt aber Entwicklungen, mit denen sich Unternehmen 2013 zumindest auseinandersetzen müssen.

1. Branded Content is the (new) ad.

Content Marketing wird 2013 noch steiler abheben als bisher und zumindest teilweise das traditionelle Advertising ablösen. Das Branded Content auch im großen Maßstab extrem effektiv ist, hat 2012 Red Bull mit Felix Baumgartners Stratosphären-Jump eindrucksvoll bewiesen – ein Event, der hohe Wellen geschlagen hat, von vielen Menschen weltweit verfolgt und freiwillig Millionen mal geteilt wurde.

„… content is currency and social actions are the transactions in this marketplace for eyeballs and attention.“

Bryan Rhoads, Intel

Natürlich ist eine Kampagne dieser Größenordnung die Ausnahme. Nicht jedes Unternehmen kann und sollte in Dimensionen wie Red Bull agieren und z. B. den nächsten Trip zum Mond zu sponsoren.

Wir werden aber mehr Unternehmen sehen, die in die Produktion hochwertiger Inhalte investieren, und weniger in klassische PR und Media-Schaltungen. Dazu gehören nicht nur Events oder professionelle Texte.

Visueller Content wird 2013 ebenfalls immer wichtiger, wie der Erfolg von Pinterest, Instagram und Facebook-Posts mit Bildern zeigt. Wir werden mehr hochwertigen visuellen Content von Marken sehen – Photos, Videos, Infographiken etc.

Digital Storytelling ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor beim Content Marketing. Je interaktiver, plattformübergreifender und leichter teilbar eine Geschichte erzählt wird, desto besser. Klingt einfach, ist aber alles andere als trivial.

Die beste Geschichte verpufft, wenn die digitale Infrastruktur zu ihrer Verbreitung nicht stimmt, das Zielgruppen-Targeting falsch aufgesetzt ist, oder das Mediabudget zu ihrer Verbreitung nicht optimal eingesetzt wird. Ach ja, zur Marke passen sollte sie auch irgendwie.

In diesem Zusammenhang immer noch lesenswert: Rick Braddy’s Artikel über Storytelling.

2. Content is King, Context is everything.

Guter Content ist wichtig – aber Kontext ist alles. Jede Geschichte kann auf verschiedene Arten erzählt werden und ist je nach Kontext, in dem sich ein Mensch gerade befindet, unterschiedlich relevant.

„…without context, content is simply a message or story trying to find a home.“

Brian Solis, Altimeter

Dabei spielen Faktoren wie Ort; Zeit; Situation; soziale Rolle; Beziehung vom Nutzer zum Inhalt, zum Erzähler und zur Marke eine Rolle. Die Krux: Der Kontext ändert sich für jeden Menschen mehrmals im Verlaufe des Tages – oft innerhalb weniger Sekunden.

Die Herausforderung ist, zu verstehen, in welchen Kontexten potentielle Konsumenten möglichst empfänglich für die Botschaften der Marke sind, und die Geschichten so zu erzählen, dass sie höchstmögliche Relevanz für die spezifischen Empfänger haben.

Für eine erfolgreiche Content Strategie werden deshalb auch ausgefeilte Analyse-Tools, sowie Einsatz von Location-, Geo-, Behaviour- und Social Targeting essentiell.

3. Social Media diversification continues.

Facebook wird seine Vormachtstellung als größtes soziales Netzwerk der Welt 2013 noch weiter ausbauen. Zum einen durch Akquisitionen wie Instagram, vor allem aber durch den aggressiven Ausbau der Werbemöglichkeiten für Marken.

Ebenfalls nicht zu vergessen: Facebooks Pläne eines Werbenetzwerks auf 3rd-Party Webseiten, die neben dem Ausliefern von Facebook Ads außerhalb von Facebook auch Retargeting und Conversion-Tracking ermöglichen soll. Digital Marketer reiben sich jetzt schon die Hände in freudiger Erwartung.

„The Internet likes Facebook, but an open relationship is a reality.“

Brian Solis, Altimeter

Das Problem: Durch zunehmende Werbung im Stream der Nutzer wird das Rauschen innerhalb Facebooks immer größer und die Relevanz einzelner Posts sinkt. Schon jetzt nerven die meisten Anzeigen und unterbrechen den Fluß der Konversationen im Stream – und das leider oft so holzfällerhaft wie klassische TV-Spots den spannenden Prime Time-Film. Und wir sind gerade erst am Anfang. Facebook muss aufpassen, durch seine Monetarisierungs-Maßnahmen nicht einen Teil seiner Relevanz zu verlieren und Nutzer zum Abwandern zu bewegen.

Die Chance: Wer als Marke hier durch a) interessante Geschichten (Stichwort: Digitales Storytelling) und nicht platte Anzeigen-Texte überzeugt und b) intelligentes (kontextbasiertes) Targeting einsetzt, das die Relevanz der Geschichten für die einzelnen Nutzer erhöht, kann sich wohltuend abheben.

Zumindest solange die Nutzer überhaupt noch da sind. Denn bei aller Euphorie sollte eins nicht vergessen werden – es gibt mehr da draußen als Facebook.

Im Schatten von Facebook boomen kleine, spezifische Nischen-Networks und Communities wie Pinterest und Co.. Zum einen, weil sie tief greifendere, fokussiertere Funktionalitäten als den Feature-Overkill von Facebook bieten. Zum anderen, weil sich Menschen hier aufgrund geteilter Interessen zusammenfinden und nicht aufgrund ihrer sozialen Vernetzung. Da die Bedeutung dieser Communities wächst, wächst auch die Notwendigkeit für Unternehmen, sich nicht nur auf die Platzhirsche unter den Social Networks zu konzentrieren.

Themenspezifische Networks wie Linkedin für Karriere und Business-Kontakte, Soundcloud für Musik, Fitness-Networks wie Nike+ und Instagram für Bilder sind da nur die bekanntesten. Lady Gagas Littlemonsters zeigt, wie ein komplettes Network um einen einzigen Star herum aufgebaut werden kann.

2013 werden wir mehr solcher Beispiele sehen. Wenn die Bedeutung dieser Nischen-Communities zunimmt, wird sich Facebook möglicherweise bald warm anziehen müssen – und Unternehmen, die zu einseitig darauf setzen, ebenfalls.

4. Social goes commercial.

Social Ads sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits widerspricht Werbung im sozialen Kontext dem ureigensten Zweck von Social Media Plattformen und stört die dort stattfindenden Gespräche. Andererseits können Social Ads, wenn relevant, involvierend und mit einem realen Mehrwert versehen nicht nur effektiv, sondern auch willkommen für Nutzer sein.

„Nobody has joined a social media site to get sold to, but people do actually buy from people they know, like and trust, things that are created by being social with others.“

Scott Stratten, Unmarketing author

Wie immer man dazu steht: Social Ads werden extrem wichtig in diesem Jahr. Und das betrifft nicht nur Facebook, wenn hier momentan auch die größte Reichweite und neben Sponsored-Stories-Formaten bald weitere für Marketer interessante Möglichkeiten zur Verfügung stehen (s.o.).

Twitters Werbeprogramm mit Promoted Tweets, Trends und Accounts bekommt langsam Momentum. Tumblr hat nach langem Ringen ebenfalls ein „Sponsoren“-Programm aufgelegt, mit dem Inhalte und Accounts ab 25.000$ Budget-Einsatz promoted werden können.

Googles Adwords sind mit Social Extensions spätestens 2013 hoch interessant für Online Marketer. +1 für Brand Page, Ads und Search wirken sich auf die Ad-Performance und dadurch auch auf die Kosten aus. Ein gewichtiges Argument, die Nutzung von Google + auszubauen.

Pinterest hat noch kein Ad-Programm, die Einführung von Business Pages lässt aber vermuten, dass hier demnächst etwas kommt.

Social Commerce wird 2013 ebenfalls ein heißes Thema. Nicht notwendigerweise durch eigene Facebook-Shops, aber durch intelligente Verknüpfung von Online Shops, stationärem Handel, SEA, Social Ads, Social Media Marketing und CRM. Wir werden zunehmend soziale Features in etablierten Online Shops sehen. Viel spannender sind jedoch Social Commerce-Startups im Stile von fab.com, bei denen die soziale Komponente am Anfang und nicht am Ende der Überlegungen für eine reiche Nutzer-Erfahrung steht.

5. Mobile is everywhere 24/7.

„Mobile ist das nächste große Ding“ steht schon seit Jahren in jeder Trend-Prognose. Spätestens seitdem 2012 weltweit erstmals über eine Milliarde Smartphones im Einsatz waren, kann es daran eigentlich keinen Zweifel mehr geben.

2013 sollen laut Google sogar erstmals mehr Menschen per Smartphone das Internet nutzen als mit normalen Computern.

Die Auswirkungen sind tiefgreifend. Immer mehr Menschen sind „always on“ und haben jederzeit Zugriff auf immer mehr Informationen in Echtzeit. Viele nutzen Smartphones sogar auf der Toilette. Gleichzeitig wird es immer schwerer, den Informations-Überfluss zu beherrschen.

Alle Unternehmen, die immer noch versucht haben diesen Trend auszusitzen, werden spätestens jetzt umdenken müssen, um diesem geänderten Nutzungsverhalten Rechnung zu tragen und potentielle Konsumenten überhaupt noch zu erreichen.

Dazu gehört vor allem, Nutzern an allen relevanten digitalen Berührungspunkten mit den Produkten oder Services der Marke die bestmögliche Nutzererfahrung zu bieten. In diesem Zusammenhang werden 2013 Mobile Ads, Apps, Responsive Websites und Second Screen-Strategien eine wichtige Rolle spielen. QR Codes – eher nicht.

„Smartphones are the new smoking – and QR codes are not the answer.“

Chris Brogan, Human Business Works

Mobile Advertising: Viele Marken werden die Mediabudgets umverteilen und in Mobile Ads (für Search, Maps, etc.), In-App Ads, Social Ads mit Mobile Targeting und Mobile Couponing investieren. Im besten Fall ist diese Art der Werbung kontext-relevant, sozial verankert und bietet Nutzern einen realen Mehrwert.

Sehr wahrscheinlich werden wir aber häufig nur die gleichen stupiden Botschaften auf den Devices sehen, zu denen wir eigentlich von den klassischen Medien geflüchtet waren.

Apps boomen weiterhin und werden 2013 von immer mehr Unternehmen angeboten werden. Leider werden wir wohl häufig Apps sehen, die nur gebaut wurden, um auch eine App zu haben.

Es wird aber auch viele innovative Lösungen geben, die uns das Leben erleichtern und einen echten Mehrwert bieten. Mobile Payment z. B. steht in den Startlöchern, Apps zum Tracken von Fitness- und Gesundheit werden immer populärer, Mobile Shopping-Apps sowieso. Besonders spannend könnten kontext-sensitive Apps wie Google Now werden – wenn sich Nutzer in großer Zahl darauf einlassen, Unternehmen Zugriff auf ihre kompletten Daten und Accounts zu gewähren.

Responsive Design: Weitaus wichtiger für Unternehmen als eine halbgare App wird es sein, alle Websites für mobile Nutzung auf verschiedenen Devices zu optimieren. Responsive Webdesign ist hier aktuell der Königsweg, um eine hochwertige Darstellung der Inhalte plattformübergreifend zu gewährleisten. Hohe Priorität hat auch die technische Strukturierung der Inhalte für optimale Teilbarkeit der einzelnen Micro-Contents.

Wer sehen will, wo die Reise hingeht, sollte unbedingt die neue mashable-Website auf verschiedenen Devices ansehen – Für mich gerade das State-of-the-Art-Beispiel für Webdesign.

6. Second Screen Revolution is on.

Second Screen, die Nutzung von Computern, Tablets und Smartphones parallel zu anderen Aktivitäten wie Fernsehen ist ein Phänomen, das 2013 noch stärker zunehmen wird. Ob für Konversationen über den aktuellen „Tatort“ oder „The Voice“ (Stichwort: Social TV), Recherchen oder sogar Shopping – in vielen Haushalten ist das zweite Gerät neben dem passiven TV-Konsum bereits jetzt nicht mehr weg zu denken.

Einige Unternehmen profitieren bereits messbar davon: Zalando verzeichnet angeblich fast 3x soviel Traffic auf der mobilen Website während TV-Spots.

Getrieben durch die ständig zunehmende Verbreitung von Tablets werden wir 2013 mehr Kampagnen sehen, die das Second Screen-Phänomen aktiv nutzen. Ob durch Integrieren von Shazam als Call to Action in TV-Spots (wie bei VW One Thing), Schalten von Ads in Social TV-Services wie Couchfunk oder sogar mit eigenen Apps, die auf dem zweiten Screen zu spezifischen Anlässen genutzt werden wie Heinekens Star Player-Spiel für die Championsleague.

„…the more we drive consumers to the second screen, the harder it will be to monetize their time and attention.“

David Martin, Forbes

Was dabei nicht vergessen werden darf: Menschen nutzen den Second Screen häufig, um den teuer bezahlten TV-Spots zu entkommen. Welche Schlußfolgerung man daraus auch für seine Budget- und Maßnahmen-Verteilung ziehen will – in jedem Fall gilt: platte, nicht involvierende Ansätze sollte man sich zukünftig auf beiden Screens sparen.

Fazit.

Das Schwierigste bei Trend-Vorhersagen ist, Dinge weg zu lassen – auf die Gefahr, dass genau diese dann eintreten und andere Prognosen falsch sind. Was ist mit Big Data, So Lo Mo, Google Glasses, und, und, und? Es gibt noch so viel mehr aufregende Entwicklungen da draußen, die alle ebenfalls zu nennen wären – aber teilweise vielleicht auch schon wieder obsolet sind, wenn dieser Artikel bis zu Ende gelesen wurde.

Fakt ist: Digitale Trends kommen und gehen. Unternehmen müssen nicht jeden mitmachen, dürfen die aktuellen Entwicklungen aber auch nicht ignorieren. Der Digitale Darwinismus (um Brian Solis Terminus zu benutzen) bestraft alle, die zu langsam, zu unbeweglich und zu unfähig zur Anpassung sind. Es kommt einiges auf uns zu – und wenn es nur neue Buzzwords für das nächste Bullshit-Bingo sind.

Alex Glasneck

Alex Glasneck ist Strategy Consultant für Brand, Digital & Experience. Er berät Unternehmen zu Digitalisierung und Innovation - und schreibt über Chancen und Risiken der neuen, digitalen Welt.

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